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23.12.1924: Rufmordkampagne gegen Ebert
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Deutschland 1919, der Kaiser hat abgedankt. Zum ersten Mal wurde ein Mann aus dem Volk zum Staatsoberhaupt berufen: Friedrich Ebert, Sohn eines armen Heidelberger Schneidermeisters und Sozialdemokrat. Im August 1919 wurde Ebert als erster Reichspräsident auf die neue Verfassung vereidigt: "Das Wesen unserer Verfassung soll vor Allem Freiheit sein. Freiheit für alle Volksgenossen. Aber jede Freiheit, an der mehrere teilnehmen, muss ihre Satzung haben."

Stimmungsmache

Doch mit dieser Satzung, der Verfassung der Weimarer Republik, waren manche unzufrieden. Extreme Rechte und Linke machten gegen die Republik und ihr Staatsoberhaupt Stimmung, Friedrich Ebert wurde verspottet. Die Beleidigungen bewegten sich auf niedrigem Niveau: Ebert stamme aus einem Hurenhaus, er sei ein Trunkenbold, habe in der Gosse gewohnt, sei bestechlich und bereichere sich im Amt.

Eberts Gegner wurden radikaler. Ab 1922 stellte Ebert häufiger Strafantrag. Jede dritte ihm bekannte Beleidigung verfolgte er, vor allem gegen Beamte und Journalisten ging er vor. Den bekanntesten Prozess führte Ebert gegen Erwin Rothardt. Der Redakteur hatte Ebert in der "Mitteldeutschen Presse" Landesverrat vorgeworfen. Ebert klagte.

Klage gegen Beleidigung

Der Prozess fand in Magdeburg statt. Vor Gericht wurde ein Ereignis diskutiert, das sich schon im Januar 1918 abspielte. Damals streikten die Arbeiter der Rüstungsindustrie. Auch Ebert war Ende Januar 1918 in den Streik eingetreten, um den Streik zu beenden.

Doch Rothardt behauptete, Ebert habe als Streikleiter das Land geschwächt und verraten. Weil die Arbeiter während des Streiks keine Munition produzierten, trage Ebert Mitschuld an der schmachvollen Kriegsniederlage. Eine absurde Unterstellung.

Undurchsichtiges Urteil

Obwohl mehrere Zeugen Ebert stützten, sprach das Gericht am 23. Dezember 1924 ein völlig undurchsichtiges Urteil. Zwar wurde Rothardt wegen Formalbeleidigung zu drei Monaten Gefängnis verurteilt, doch der Vorwurf des Landesverrats blieb bestehen. Das Gericht sah es sogar als erwiesen an, dass Ebert im Januar 1918 sein Vaterland verraten habe. Die Rechtsextremen jubelten.

Ebert legte gegen das Magdeburger Urteil Berufung ein. Doch bevor neu verhandelt werden konnte, starb Friedrich Ebert Ende Februar 1925 an einer verschleppten Blinddarmentzündung. Er war erst 54 Jahre alt.

Nach Eberts Tod wurde das noch offene Berufungsverfahren ohne Urteil eingestellt. Rothardts Rufmord blieb ungestraft.

Autor: Ralf Geißler
   
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